Waffen als nachhaltiges Investment: Auf einer EU-Veranstaltung will man dazu offenbar keine kritischen Fragen hören. / Foto: Pixabay

  Nachhaltige Aktien, Finanzdienstleister

"Nachhaltige" Investitionen in Waffen: EU-Kommission will offenbar keine kritischen Fragen

Auf dem von der EU-Kommission veranstalteten "EU Defence Industrial Investment Forum" ging es in dieser Woche um die Frage, wie Nachhaltigkeitsvorgaben und das Finanzieren in Rüstung vereint werden können. Ein Vertreter des Netzwerks Shareholders for Change wurde nach kritischen Fragen zwischenzeitlich ausgeschlossen.

Ziel der Veranstaltung war nach offizieller Aussage eine Diskussion darüber, inwiefern ESG-Richtlinien die Finanzierung von Rüstungsunternehmen behindern und wie solche Hürden beseitigt werden können, um Banken und Investoren zu ermutigen, mehr in die Verteidigungsindustrie zu investieren. Das Kürzel ESG steht für Ökologie (E wie Environment), Soziales (S wie Social) und gute Unternehmensführung (G wie Governance). Dafür, was eine gute Leistung in den einzelnen ESG-Bereichen ist, gibt es allerdings keine verbindlichen Standards.

Ausschluss nach kritischen Fragen

Tommy Piemonte, Leiter des Nachhaltigkeitsresearch bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC) aus Paderborn, wurde als Vertreter des Netzwerks Shareholders for Change (SfC) während des Treffens von der Diskussion ausgeschlossen. Zuvor hatte er kritische Fragen gestellt.

"Ich habe an der Sitzung online teilgenommen und während der Fragerunde im dafür vorgesehenen Chat schriftlich Fragen gestellt", so Piemonte. "Meine beiden Fragen drehten sich im Wesentlichen darum, warum die Rüstungsindustrie und die anwesenden Gremien der EU-Kommission so sehr darauf bedacht sind, Waffen als nachhaltig zu bezeichnen, und welche Maßnahmen sie zu ergreifen gedenken, um die Rüstungsindustrie in ihren Aktivitäten und ihrem Verhalten in eine nachhaltigere Richtung zu lenken. Dann wurde ich von der Veranstaltung ausgeschlossen."

Andrea Baranes von der italienischen Stiftung Fondazione Finanza, ein weiteres Mitglied der SfC und Teilnehmerin an dem Online-Treffen, kritisierte den Vorgang scharf: "Die Europäische Kommission scheint keine Stimmen zu dulden, die sich kritisch über die geltende Doktrin äußern, dass Waffen um jeden Preis finanziert werden müssen, auch mit für Nachhaltigkeitszwecke bestimmten Mitteln." Baranes setzte sich während des Treffens für die Wiederzulassung Piemontes ein.

Nach mehr als einer Stunde und einem E-Mail-Austausch mit den Organisatoren der Veranstaltung wurde Piemonte laut SfC wieder eingelassen. Zur Begründung hieß es, er sei vorübergehend ausgeschlossen worden, weil er "die Sitzung gestört habe", und er solle bedenken, dass der Zweck des Forums darin bestehe, sich mit dem Verteidigungssektor auseinanderzusetzen.

Diese Aussage sei "umso überraschender, als es bei der gesamten Veranstaltung darum ging, die Sichtweisen der Finanz- und Verteidigungsindustrie zu hören", so das SfC in einer Mitteilung. Ein Panel habe sogar den Titel "Unterstützung der Verteidigungsindustrie: Perspektiven von Banken und Investoren zu Prioritäten und Herausforderungen" getragen.

SfC sieht Rückschritte bei der Nachhaltigkeit

Das Ziel schien nach Ansicht des SfC jedoch nur darin zu bestehen, Fragen und Forderungen zu hören, die in eine bestimmte Richtung gingen. So sei beispielsweise besprochen worden, welche Hürden beseitigt werden müssten, um Rüstungsfirmen nicht mehr aus ESG-Gründen auszuschließen, wenn sie einen geringen Anteil ihres Umsatzes mit geächteten Waffen wie Streumunition und Antipersonenminen erzielen.

"All dies ist inakzeptabel und steht unserer Ansicht nach nicht im Einklang mit den bestehenden EU-Transparenzvorschriften, sondern spiegelt den aktuellen ESG-Backlash in der EU wider", so Andrea Baranes von Fondazione Finanza. "Wir erwägen nun, eine offizielle Beschwerde bei der EU-Kommission einzureichen."

Das Netzwerk Shareholders for Change ist eine Gruppe von institutionellen Anlegern, die sich dafür einsetzt, Nachhaltigkeitsaspekte bei Investments stärker zu berücksichtigen. Das Netzwerk hat derzeit 19 Mitglieder aus sieben europäischen Ländern, die zusammen ein verwaltetes Vermögen von über 45 Milliarden Euro repräsentieren.

Die Idee, Waffen als nachhaltiges Investment zu betrachten, ist mit dem russischen Überfall auf die Ukraine verstärkt in den Fokus der Finanzindustrie getreten. Lesen Sie für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema die ECOreporter-Analyse Waffen im nachhaltigen Depot?.

Verwandte Artikel

01.11.24
 >
16.09.24
 >
12.09.24
 >
13.12.23
 >
07.12.23
 >
Aktuell, seriös und kostenlos: Der ECOreporter-Newsletter. Seit 1999.
Nach oben scrollen
ECOreporter Journalistenpreise
Anmelden
x