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Nachhaltige Aktien, Anleihen / AIF, Fonds / ETF
ESG-Investments – was ist das eigentlich? Und worauf muss ich dabei achten?
ESG ist der am häufigsten verwendete Begriff in der nachhaltigen Geldanlage. ECOreporter erläutert, was die drei Buchstaben bedeuten und warum sie alleine nicht ausreichen, um wirklich nachhaltig zu investieren.
ESG-Kriterien, ESG-ETFs, ESG-Aktien, ESG-Investments – wer sich für grüne Geldanlage interessiert, stößt ständig auf das Kürzel ESG. Viele Anbieter von Finanzprodukten jonglieren damit, viele Medien auch. Die drei Buchstaben sind so allgegenwärtig, dass sie mittlerweile häufig als Synonym für Nachhaltigkeit verwendet werden. Aber ganz so einfach ist es nicht.
Wofür steht ESG?
ESG meint die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt (E wie Environment), Soziales (S wie Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (G wie Governance). ESG-Kriterien werden etwa zur Nachhaltigkeitsbeurteilung von Unternehmen und Finanzprodukten herangezogen, aber auch zur Bewertung von Immobilien.
Wer hat's erfunden?
Der Begriff ESG taucht erstmals 2004 in einem größeren öffentlichen Rahmen in dem Bericht „Who Cares Wins“ („Wer sich kümmert, gewinnt“) auf. Die Verfasser: eine Gruppe internationaler Großbanken, die auf Einladung der Vereinten Nationen Empfehlungen geben, wie ESG-Themen besser in Finanzanalyse und Vermögensverwaltung integriert werden können. Hier deutet sich bereits ein grundlegendes Problem des Begriffs an: ESG wurde nicht etwa von unabhängigen Nachhaltigkeitsfachleuten entwickelt, sondern von herkömmlichen Finanzkonzernen. Und deren wichtigstes Ziel ist es auch 2024 nicht, die Welt grüner zu machen, sondern Geld zu verdienen.
Was ist draus geworden?
ESG hat sich weltweit als Standardkürzel für nachhaltige Finanzprodukte durchgesetzt, weil der Begriff sehr vielseitig verwendbar ist. Wählt beispielsweise ein Fonds seine Aktien nach ESG-Kriterien aus, kann er damit knackig werben – drei Buchstaben nehmen nicht viel Platz weg. Und was genau sich hinter ihnen verbirgt, ist letztlich Sache des Fondsanbieters. Für dessen Marketingabteilung und auch für das Fondsmanagement sehr praktisch.
Wo liegt das Problem?
Aktien von Windkraftunternehmen sind klare ESG-Investments. Aber auch Atomkraft und Erdgas können als ESG-Themen vermarktet werden. / Foto: Pixabay
Würde jedes Finanzunternehmen, das irgendwas mit ESG anbietet, ein strenges Nachhaltigkeitskonzept verfolgen und gewissenhaft schauen, ob grün wirklich grün ist, wäre ESG eine wunderbare nachhaltige Erfolgsgeschichte. Ist es aber nicht. Denn, siehe oben: Die meisten Banken und Fondshäuser wollen vor allem Geld verdienen. Das geht mit dem Begriff ESG gut, weil Nachhaltigkeit ein Trendthema ist. Um ihre Gewinne zu maximieren, möchten sich viele Finanzunternehmen aber ungerne an Beschränkungen halten müssen. Sprich: Der Nachhaltigkeitsanspruch ihrer Produkte sollte möglichst gering sein.
Ein Beispiel: Ein ETF-Anbieter will einerseits davon profitieren, dass viele Anlegerinnen und Anleger gerne nachhaltige Produkte kaufen, andererseits aber auch in Aktien von Unternehmen investieren dürfen, die mit Nachhaltigkeit wenig am Hut haben. Also definiert der Anbieter für sich so lasche ESG-Kriterien, dass er auch in Atomwaffenhersteller oder Ölmultis anlegen darf. Geht gar nicht? Doch, geht: Lesen Sie hier. Es gibt sogar Erneuerbare-Energien-ETFs, die überwiegend in fossile Energiekonzerne investieren.
Warum dürfen die das?
Solche „Nachhaltigkeits“-Konzepte sind erlaubt, weil es bislang kaum verbindliche Vorgaben dazu gibt, was sich ESG nennen darf und was nicht. Die Europäische Union bemüht sich zwar seit einigen Jahren, allzu dreistes Greenwashing zu unterbinden, scheitert dabei aber immer wieder an sich selbst. Atomkraft und Erdgas etwa sind laut EU-Taxonomie-Verordnung nachhaltige Investmentthemen, weil einige Mitgliedsstaaten verhindert haben, dass diese umweltschädlichen Energien als nicht nachhaltig eingestuft werden. Und viele andere ESG-Bereiche sind bislang noch gar nicht definiert, da es keine entsprechenden EU-Verordnungen gibt und die Finanzlobby alles dafür tut, dass das auch so bleibt.
Daher kann sich hinter dem Kürzel ESG weiterhin so ziemlich alles verbergen – von Fonds, die nur in kerngrüne Aktien investieren, bis zu ETFs, in denen fast die gleichen Unternehmen zu finden sind wie in herkömmlichen ETFs. Manche Produkte schließen 95 Prozent des weltweiten Aktienuniversums aus, manche nur 5 Prozent. Sie alle dürfen aber damit werben, ESG-Kriterien anzuwenden.
Insbesondere Fonds und ETFs, die es mit der Nachhaltigkeit nicht ganz so genau nehmen, verstecken sich dabei häufig hinter ESG-Bewertungen, sogenannten ESG-Scores. Die stammen meist von spezialisierten Agenturen, die Unternehmen danach beurteilen, wie engagiert sie etwa bei den Themen Erneuerbare Energien, Umweltschutz, Geschlechtergleichstellung oder Menschenrechte sind.
Diese ESG-Scores sehen sehr seriös aus, weil sie sich aus Dutzenden von Einzelkriterien zusammensetzen. Wie die Agenturen genau bewerten, ist für Außenstehende aber nicht nachvollziehbar (Geschäftsgeheimnis!). Und weil es, wie bereits erwähnt, kaum verbindliche ESG-Richtlinien gibt, dürfen die Agenturen ihre Bewertungsmethoden weitestgehend nach eigenem Ermessen entwickeln. Das Ergebnis: Die ESG-Scores vieler Unternehmen unterscheiden sich je nach Agentur erheblich, und wer beispielsweise einen nur hellgrünen ETF starten will, wählt natürlich einen ESG-Score-Anbieter mit eher niedrigem Anspruchsniveau.
Wie lässt sich echte Nachhaltigkeit erkennen?
ECOreporter berücksichtigt daher bei seinen Fonds- und ETF-Tests und auch bei seinen Nachhaltigkeitsbewertungen einzelner Unternehmen keine ESG-Scores (und keine Einstufungen nach Artikel 8 oder 9 der EU-Offenlegungsverordnung, wo es ähnliche Probleme gibt). Die Redaktion schaut sich stattdessen die tatsächlichen Ausschlusskriterien und Positivkriterien der Finanzprodukte an und analysiert Nachhaltigkeitsberichte und andere Dokumente von Unternehmen, um echtes von falschem Grün zu unterscheiden. Details zum Fonds-Benotungssystem von ECOreporter finden Sie hier.
Der Begriff ESG hilft bei der Analyse leider nicht weiter – auch 20 Jahre nach seiner Einführung sagt er so gut wie nichts aus. Und das dürfte so bleiben, bis es klare Vorgaben gibt und die Finanzindustrie für Verstöße dagegen haftbar gemacht werden kann. Denn dann rechnet sich Greenwashing nicht mehr.
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