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Nachhaltige Aktien, Fonds / ETF
Naiver Traum oder echter Hebel: Kann ethische Geldanlage die Welt friedlicher machen?
Krieg in der Ukraine – und viele wollen helfen. Mit Sach- und Geldspenden, mit aufopferungsvollen persönlichen Leistungen; es gibt viele Beispiele. Natürlich auch in der Wirtschaft, die ihre Beziehungen zu Russland kappt, Fabriken und Geschäfte schließt, Ex- und Importe beschränkt. Kann oder sollte auch die private ethische Geldanlage hier mitziehen, kann sie überhaupt etwas bewirken? Ein kommentierender Bericht.
Wir haben Grundlegendes zusammengetragen, um zu zeigen, was bei der nachhaltigen Geldanlage schon geschieht und was noch möglich ist. Eins vorweg: ECOreporter weist seit Jahren darauf hin, dass Erneuerbare Energie immer billiger wird und zudem nicht nur eine Lösung für die Klimakrise ist, sondern auch Sicherheitspolitik. Denn gerade die fossilen Energien Öl und Gas machen uns abhängig von diktatorischen Regimen und finanzieren und stärken diese sogar – doppelt schlimm. Im gedruckten ECOreporter-Magazin im Oktober 2021 hatten wir vorgerechnet, wie viel Geld Deutschland jährlich an Putins Regime überweist, um seine Öl- und Gasrechnung zu berappen.
Im Folgenden zeigen wir, wo die Branche des nachhaltigen Investments jetzt ansetzen muss. Denn Putins Überfall auf die Ukraine deckt auf, dass auch das nachhaltige, ethische Investment bei den Themen Krieg und Diktatur bis vor kurzem weitgehend in einem kollektiven intellektuellen Tiefschlaf gewesen ist. Wir geben Ihnen aber auch Hinweise dafür, mit welchen nachhaltigen Finanzprodukten Sie Ihre eigene moralische Haltung konkret verwirklichen können.
Wo steht die ethische, nachhaltige Geldanlage heute beim Thema Krieg?
Kein Krieg ohne Waffen. Seien es konventionelle Waffen, Atomraketen oder der Informationskrieg. Wer bestimmte ethische Geldanlageprodukte wählt, kann aber – nach sorgfältiger Auswahl – sicher sein, ein „waffenfreies“ Depot zu haben. Vorsicht: Weil nachhaltig oder ethisch nicht gleichbedeutend ist mit „frei von Waffen oder Rüstung“, ist nicht jedes nachhaltige oder ethische Finanzprodukt automatisch waffenfrei. Die gestrige Titelgeschichte zeigt Ihnen, welche Fonds und ETFs waffenfrei sind.
Russischer Panzer. Der Überfall auf die Ukraine stellt die pazifistischen Grundsätze der nachhaltigen Geldanlage in Frage. / Foto: imago images, ITAR-TASS
Gegen Aggressoren müssen auch Staaten sich schützen, und sie haben das Recht zur Selbstverteidigung. Dazu brauchen sie nun einmal Waffen.
Wer schützt demokratische Staaten, wenn Diktatoren wie Putin oder Parteidiktaturen wie China das Völkerrecht verletzen und mittels Krieg Demokratien und Staaten schlicht auflösen? Braucht es dafür nicht Waffen? Und damit auch die Hersteller von Waffen? Und brauchen die dann logischerweise nicht Geld? Andererseits: Was ist mit den Umweltschäden, die das Militär anrichtet? Laut einer Studie der Scientists for Global Responsibility sind Armeen für 5,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. In den ersten sieben Monaten hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine nach Berechnungen der "Initiative on GHG accounting of war" so viele klimaschädliche Gase freigesetzt wie die gesamten Niederlande im gleichen Zeitraum.
Schwieriges Thema. Auch wir sind hin- und hergerissen zwischen verschiedenen Argumenten. Aber wir sehen unsere Aufgabe bei ECOreporter vorrangig darin, Ihnen die Informationen zu bieten, mit der Sie Ihre eigene moralische Haltung in der Geldanlage umsetzen können. Wenn Ihre moralische Haltung ist: keine Waffen-Investments, dann hilft Ihnen unsere oben erwähnte gestrige Titelgeschichte.
Wenn Sie aber denken, Waffen sind zur Verteidigung notwendig, und wenn Sie entsprechend investieren wollen, dann können wir Ihnen leider keine Informationen anbieten. Nicht, weil wir das nicht wollten, sondern weil wir solche Informationen schlicht nicht haben. Und bisher auch nicht für sinnvoll hielten. Aber Putins Ukraine-Krieg rückt das Thema in ein neues Licht. Wobei es für uns auch ein großer gedanklicher Sprung wäre, Waffen-Investments zu recherchieren.
Warum nachhaltige Fonds in Diktaturen investieren
Nein, nachhaltige Fonds finanzieren keine Diktatoren. Natürlich nicht. Sie kaufen keine russischen Staatsanleihen (haben sie auch vor dem Ukraine-Krieg nicht), sie finanzieren nicht den chinesischen Staat. Viele nachhaltige Fonds, die beispielsweise Staatsanleihen, also Rentenpapiere kaufen, haben Ausschlusskriterien. Da sind dann etwa Investitionen in Staaten tabu, die die Todesstrafe praktizieren. Solche Fonds kaufen keine Anleihen der USA, aus Japan oder China.
Aber die meisten nachhaltigen Fonds und ETFs setzen eben nicht auf Staatsanleihen, sondern auf Aktien. Und so finden sich in nachhaltigen Fonds beispielsweise Aktien aus den USA, wenn sie den Nachhaltigkeitsvorgaben der Fonds entsprechen. Was sehr, sehr oft der Fall ist. Dass nachhaltige Unternehmen aus den USA nichts dafür können, dass es einige US-Bundesstaaten gibt, die noch die Todesstrafe ausüben, erscheint plausibel. Und ebenso plausibel könnte es dann auch sein, in chinesische Aktiengesellschaften zu investieren. Denn die sind seit einigen Jahren, was ihr Umweltverhalten angeht, teilweise vorbildlich, auch im weltweiten Vergleich.
Wie ethisch sind Investments in China?
Nun stellt der Krieg in der Ukraine vieles in Frage, was wir bisher als Selbstverständlichkeit angesehen haben. Oder einfach nicht mehr hinterfragt haben. Beispielsweise eben die China-Investments. Bisher war die Doktrin im ethischen Investment: Genauso wenig wie ein US-Konzern etwas dafür kann, dass Texas die Todesstrafe vollzieht, kann ein chinesischer Solarkonzern dafür verantwortlich gemacht werden, dass China Uiguren in Straflagern Zwangsarbeit verrichten lässt. Oder dass China in großem Maßstab Menschenrechte verletzt, beispielsweise die Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Und außerdem setzen wir alle auf Wandel durch Handel: Irgendwann wird die Globalisierung und Verwestlichung schon dafür sorgen, dass auch China demokratischer wird, oder? Leider stimmt da etwas nicht. Der Handel hat Putin nicht gewandelt, zumindest nicht zum Besseren. Und China auch nicht.
Und deshalb ist es falsch, bei Investments in nachhaltige Unternehmen eine Parallele zwischen den USA und China oder anderen totalitären Staaten zu ziehen. Es gibt fundamentale Unterschiede. Etwa bei der Verbindung von Staat und Wirtschaft. US-Unternehmen dürfen sich vor Gericht und durch viele Instanzen dagegen wehren, wenn eine Regierung, seien es Demokraten oder Republikaner, sie zu etwas zwingen will. Beispielsweise dazu, in Fabriken Videokameras zur Überwachung zu installieren. In China könnten Unternehmen sich auch wehren - die Geschäftsführung würde dann aber mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gefängnis oder Arbeitslager landen. Natürlich kann man einwenden, dass die westlichen Industriestaaten auch nicht bis in den letzten Winkel demokratisch sind, dass sie verschiedene Rechte nicht achten. Aber das sind Fehler des Systems, gegen die die Bevölkerung vorgehen kann. Mit einem Rechtssystem, das durchaus auch Fehler macht, aber insgesamt funktioniert. In Russland, China und anderen totalitären Staaten ist das System selbst der Fehler - und wehe, jemand geht dagegen vor.
Nachhaltige Geldanlage muss neu gedacht werden
Die Kernfrage für nachhaltige Fonds und ETFs wird also bei Investments beispielsweise in chinesischen Aktiengesellschaften sein: Wie fühlt man sich damit, wenn der chinesische Staatspräsident Xi Jinping seine Ankündigungen wahrmachen sollte, Taiwan zu übernehmen, zur Not mit Gewalt? Werden dann chinesische Aktien noch als nachhaltig gelten? Wohl nicht. Was dann bedeutet: Investments in Unternehmen aus totalitären Staaten können nicht nachhaltig sein. Womit viele weltweit investierende nachhaltige Fonds und ETFs in diesem Punkt einen völlig neuen Kurs fahren müssten. Damit sind aber nicht Investitionen in Unternehmen aus Schwellenländern generell ausgeschlossen, denn die sind natürlich nicht automatisch deshalb totalitär, weil sie Schwellenland sind!
Falls Sie dieser Argumentation zustimmen, was bedeutet das für Sie als Anlegerin und Anleger bei der Auswahl nachhaltiger Aktienfonds oder ETFs? Im Moment wäre dann die Konsequenz: Ausschließlich auf solche Produkte setzen, die fast nur in Europa oder Nordamerika investieren.
In Frage kommen etwa der GLS Aktienfonds, der Murphy&Spitz Umweltfonds Deutschland, der UmweltSpektrum Mix oder der Ethius Global Impact. Erneuerbare-Energien-Fonds hingegen eher nicht, weil sie meist viele chinesische Aktien enthalten (nachhaltige russische Aktien gibt es übrigens kaum). Eine Liste aller ECOreporter-Fondstests haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Wer lieber in ETFs anlegen möchte, kann sich an Europa- oder US-Produkte wie den Xtrackers MSCI Europe ESG oder den US Vegan Climate ETF halten. Diese sind insgesamt aber weniger nachhaltig als tiefgrüne Fonds. Zu den ECOreporter-ETF-Tests geht es hier.
Natürlich können Sie auch gezielt Einzelaktien aus freien Ländern auswählen. Einen Überblick über das nachhaltige ECOreporter-Aktienuniversum finden Sie hier.
Und die von der Redaktion getesteten Anleihen, Spezialfonds und Direktbeteiligungen kommen ebenfalls nicht aus totalitären Staaten. Lesen Sie dazu unsere Überblicke 48 richtig nachhaltige Anleihen mit bis zu 10 % Zins und Bei diesen neun grünen Geldanlagen können Sie jetzt noch einsteigen.